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Ein ganzes halbes Jahr Metta-Meditation

Seit dem 1. Mai verbringe ich täglich 20 Minuten zusätzlich auf meinem Sitzkissen, um mir selbst, lieben Menschen und – seit August – auch unbekannten Personen Gutes zu wünschen.


Durch die vertiefte Praxis von Achtsamkeit und Metta, in den letzten Monaten, durfte ich noch deutlicher bemerken, wie subtil und hinterhältig sich Selbstkritik einschleicht. Wie streng und ungnädig ich reagiere, wenn ich mich schwach & schwer fühle. Wie viel Kraft es kostet, mein Leben unter (scheinbarer) Kontrolle zu halten und wie groß die Versuchung ist, Bestätigung und Trost in mir zugeneigten Frauen zu suchen.


Achtsamkeit macht mir mein Verhalten bewusst – Metta gibt mir die Möglichkeit, ihm liebevoll zu begeben. Statt blind zu reagieren oder mich zu verurteilen erlaubt mir die Kombination aus Weisheit und Güte, mir der Gefühle hinter meinem Verhalten bewusst zu werden und gibt ihnen Raum. Verlassen, einsam, ängstlich? Das ist OK.

Dabei verändert sich mein Verhalten ganz von allein! Der innere Kritiker wird langsam zur tragisch-komischen Gestalt, die Kontrollwut verschiebt sich ins berufliche Projektmanagement und Eiscreme eignet sich, ab und an hervorragend, als tröstlicher Mutter-Ersatz.

 

Seit drei Monaten wünsche ich auch unbekannten Menschen Gutes. Während es mir, als kontaktfreudiger Menschenfreund, zu Beginn schwer fiel, einen Unterschied zu erkennen, sehe und spüre ich inzwischen ganz klar eine Veränderung.

Begegne ich fremden Menschen, blitzen automatisch Metta-Formulierungen im Geist auf, ohne dass ich es verhindern kann. (Oh Gott! Noch mehr Kontrollverlust!).

Dabei wünsche ich nicht nur besonders strahlenden oder bedauernswerten Persönlichkeiten »Mögest du glücklich sein.«, sondern auch Menschen, die ich bisher ausgeblendet hatte. Dem düsteren Flaschensammler, der unscheinbaren Bedienung oder dem „Besorgten Bürger“.


Hatte ich bisher den Schmerz ausgeblendet, den der gescheiterte Leergut-Sammler ausstrahlt und mich vor seinen wütenden Augen gefürchtet, empfinde ich inzwischen Mitgefühl für seine Lage und weiß, dass auch ich so finster dreinschauen würde, hätte ich ähnliche Erfahrungen durchlebt.

Hatte ich die unscheinbare Frau die mir des öfteren Limonade serviert, bisher gar nicht zur Kenntnis genommen, weil ihr Auftreten meine Hormone nicht in Wallung bringt, berührt ihre erschöpfte aber beflissentliche Art inzwischen mein Herz, weil ich spüre, wie sehr wir uns beide bemühen „Die Dinge gut zu machen“.

Hätte ich dem wütenden Glatzkopf bisher vielleicht durch blinde Gewalt zur Einsicht gebracht, machten es der klare Blick und das offene Herz möglich, seine einseitige Deutung der Situation zu erkennen, seine Reaktion zu verstehen und ihm mitfühlend die Perspektive zu weiten.

Das sich die letzte Szene lediglich im Traum abspielte, mag die Kritiker unter uns an der Umsetzbarkeit zweifeln lassen, zeigt mir jedoch, wie tief Metta inzwischen in meinem Bewusstsein wurzelt.

 

Die nächsten drei Monate werde ich mein Herz ebenfalls schwierigen Menschen öffnen. Ich bin überrascht von der Vorfreude die ich bei diesem Gedanken spüre, scheint es doch aus weltlicher Sicht keinen Sinn zu machen, verletzenden Menschen auch noch Gutes zu wünschen! Seit langen jedoch, schleichen sie sich in meine Meditation und es fühlt sich inzwischen unnatürlich an, sie auszuschließen.

Für diese Bereitschaft war es nötig, mich zuerst selbst ausreichend mit Mitgefühl zu versorgen. Statt im letzten halben Jahr blind auf fremdes Fehlverhalten zu reagieren, habe ich meine Angst, Traurigkeit und Verstrickung entdeckt und daraus Verständnis für das beiderseitige Verhalten entwickelt. Dadurch heilte der „Kleine Kai“ und ist inzwischen weniger von fremden Zuspruch abhängig. Ich kann mich besser abgrenzen und muss verletzendes Verhalten nicht hinnehmen. Ich darf unheilsame Taten klar verurteilen, ohne dabei den Menschen dahinter, mein Herz zu verschließen.

Im Gegenteil. Inzwischen spüre ich eine gewisse Dankbarkeit für die Hürden die sie mir in den Weg stellen, denn ohne diese, könnte ich nicht erkennen, wo ich noch an mir arbeiten darf und hätte mich wahrscheinlich schon längst in einen narzisstischen Jesus-Verschnitt verwandelt, der unter dem Denkmantel des Mitgefühls, unachtsame Menschen verurteilt.

Statt dessen setze ich mich erneut auf mein Kissen, schau mir meine Urteile und Bewertungen an und bin gespannt, was ich nach drei Monaten schreiben werde.

 

Wenn Du ebenfalls einen heilsamen Umgang mit Dir und Deiner Umwelt kultivieren möchtest, empfehle ich meinen Kurs Mehr Mitgefühl mit Metta, auf Insight Timer, den Du im Premium-Abo anhören oder für sieben Tage kostenlos testen kannst.


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